Résumé : Radikale Demokratietheorie ist für ihren vermeintlich undifferenzierten Anti-Institutionalismus und eine Vernachlässigung normativer Fragen kritisiert worden. Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, auf beide Kritikpunkte aus der Perspektive der "kritischen politischen Philosophie" von Miguel Abensour zu antworten. Der erste Teil rekonstruiert Abensours Institutionentheorie und zeigt, dass die "rebellierende Demokratie" (démocratie insurgeante) zwar dezidiert staatskritisch, dadurch aber noch nicht anti-institutionell ist. Vielmehr sind demokratische Institutionen gegen den "Staat" gerichtet, wobei "Staat" bei Abensour die intensivste Kristallisationsstufe von Herrschaft im Allgemeinen bezeichnet. Demokratische Institutionen sind herrschaftskritisch, insofern sie einen "Kreislauf zwischen Aufstand und Institution" verstetigen und durch symbolische Vermittlung in der Lage sind, die instituierende Dimension politischen Handelns zu aktivieren. Der zweite Teil unterscheidet drei Strategien, die diese institutionelle Präferenz wenn nicht begründen, so doch plausibilisieren können. Hierbei steht die "schwache" Geschichtsphilosophie einer eurozentrischen Modernitätserzählung bei Lefort und Castoriadis im Vordergrund. Durch eine Auseinandersetzung mit der Anthropologie von Pierre Clastres wird es möglich, die Rolle geschichtsphilosophischer Hintergrundannahmen in postfundamentalistischer Theorie zu hinterfragen und radikale Demokratietheorie zu transkulturell vergleichenden und dekolonialen Ansätzen hin zu öffnen.